Wie ein Füller ein Leben verändern kann…
Bereits ein Jahr ist es her, dass ich mich im Schreibwarengeschäft dazu entschieden habe, mir eine kleine Freude mit einem Füller zu machen. Ein Füller: warum? Viel zu umständlich, dauert viel länger beim Schreiben, wer schreibt heutzutage noch mit Tinte? Wer kennt noch die klassische Feder?
Was mit einfachen Eintragungen in mein Tagebuch angefangen hatte, hat sich weiter ausgebreitet. Ich unterschrieb wieder vermehrt meine Geschäftsbriefe und Rechnungen mit Füller und „produzierte“ mehr und mehr persönliche Briefe mit meinem grazilen, schwarzen Kalligraphie-Füller – ein einfacher von LAMY, der mir jedoch sehr gut in der Hand lag und schnell lesbarere Zeilen produzierte als ein Großteil meiner Kugelschreiber-Schreibversuche.
Für das vergangene Weihnachtsfest hatte ich mir vorgenommen, jedem meiner Klienten, jedem meiner Freunde und jeder Person, mit der ich im Jahr 2016 eine besondere Begegnung hatte, eine handgeschriebene & individuelle Weihnachtskarte zu schreiben.
So war ich auch ganz froh, als ich auf meinem letzten Trip nach England in Bournemouth ein paar wunderschöne Karten (die englisch-sprachigen haben einfach noch mal einen besonderen Touch) gefunden habe.
Ende November habe ich dann damit begonnen, die ersten Karten zu schreiben. Eine Karte an eine Freundin in Australien, die mir in meinem Jahr dort zu meinem „Große“-Schwester-Ersatz wurde, zuzüglich einem 500g Lebkuchen Paket an ihre 4 Jungs und Eltern. Eine Karte an meine Personal Trainer Kollegin Stephanie Lutrelli, eine Karte an ein Klientenpärchen, eine Karte an meinen besten Freund & seinen Schatz, eine Karte an eine gute Freundin & ihre Schwester, die zur gleichen Zeit die Weihnachtstage in Tasmanien verbringen sollte, eine Patientin, die ich seit 18 Monaten bereits mit ihrem „Sporn“ begleiten darf, …
Ich stoppe nun mit der Aufzählung, denn es waren noch einige mehr.
Und es hätten noch definitiv mehr sein können. Sehr viel mehr.
Das Leben kam dazwischen und da mussten weitere Karten warten. Und wer sagt, dass die Karten immer zur Weihnachtszeit ankommen müssen? Dann wenn wir sowieso mit Geschenken, Feiern, whatsapp-Kettenmails überfallen werden?!
Ich bin ehrlich: ich hatte mein Handy über die Feiertage aus und habe mich über jede Karte, jedes Geschenk, jeden Moment gefreut, in dem sich mein Gegenüber Gedanken über mich gemacht hatte. Das ist sogar soweit gegangen, dass es mir das Pippi in die Augen getrieben hat. Ein paar Karten habe ich bisher immer noch nicht gelesen, da ich mir die Ruhe alleine nehmen wollte. Mit meiner Familie drumherum und Freunden hier hatte ich nicht den Kopf…und auch in den Urlaub wollte ich die Karten nicht mitnehmen. Daher freue ich mich nun, wenn ich von Mauritius nach Hause komme, die Karten zu lesen. Gedanken zum vergangenen Jahr und Gedanken für das bereits gestartete, junge Jahr 2017.
Am 30. Dezember 2016 sitze ich im Flieger nach Mauritius, zu meinem Jahresend-/Jahresstart-Urlaub, nachdem bis auf die letzte Minute alles durchgeplant und getaktet war. Gewappnet u.a. mit dem Buch „Die Rückkehr des friedvollen Kriegers“ von Dan Millman, von dem ich überhaupt keinen Schimmer hatte, was auf mich warten sollte, einem kleinen Handbuch „No Problem“ von Veit Lindau und meinem noch leeren, kleinen Urlaubs-Tage-Notizbuch ging es nur mit Handgepäck los.
Zurück zu meinem Sitzplatz und dem Thema dieses Artikels. Denn nichts passiert in dem Leben einfach so.
Auf Seite 52 des Reisemagazins der Fluggesellschaft stand ein Interview mit Stefan Fink geschrieben. Stefan Fink, der Hamburger Füller-Produzent, der zu der Frage des Monats befragt wurde: kann man Glück herschreiben?
Er erzählt davon, dass er schon lange nicht mehr mit Kugelschreiber geschrieben hat, da ihm dabei Handgelenk schnell schmerzen und sich die Armmuskulatur leichter verkrampfen, und daher lieber mit Bleistift oder Füllfederhalter schreibe – und gleich das persönliche Schriftbild mitliefere.
Er fertigt Füllfederhalter für Menschen überall in der Welt an – im thailändischen Königshaus, dem Regisseur Wim Wenders, dem Taxifahrer, der lange dafür gespart hat, Leute Mitte 20, die den Füller wieder entdecken. Ihm zufolge werden Emotionen durch das Schreiben hervorgerufen, das Denken trainiert und das Regionen im Gehirn angesprochen, die wir beim Schreiben am Computer nicht erreichen, wie man es bei Kindern sehen kann. Geduld und Übung sind benötigt und dadurch merken wir uns das Handgeschriebene leichter und die Verbindung zwischen Wort und Körper wird direkter und stärker. Die Verbindung zwischen Körper und Geist….vielleicht auch Seele?
Was schreibe ich gerne mit meinem Füller? Briefe, Tagebuch, Geburtstagstags- und Festtagskarten, Adressen auf Briefumschläge – alles, was irgendwie eine persönliche Note bekommen darf; wo ich mich spüren und vor allem auch den Gegenüber spüren darf. Mit jedem Wort, mit jeder Zeile mache ich mir Gedanken zu der Person. Jeder Brief, jede Karte sieht anders aus. Jeder Formulierung – ein Unikat! Laut Fink werden Glückshormone ausgeschüttet – ja, kann sein. In dem Moment, in dem ich schreibe, bin ich einfach bei meinem Gegenüber – ich schenke ihm Aufmerksamkeit, Gedanken, Zeit. Und dann bin ich wieder beim Anfang dieses Textes angekommen. Mit jeder Karte habe ich mir Zeit und Raum für die Menschen genommen und so toll ich mir vorgenommen habe, allen eine Karte zu schreiben, so war es nur für eine kleine Anzahl erst einmal möglich. Ich kann nicht jeden zur gleichen „beschreiben“ – gut Ding will Weile haben. Und so darf sich jeder freuen, der mal ein Stück beschriebenes Papier bekommt: mal als Postkarte, mal in Form einer vollgekritzelten Buchseite – denn auch hier kannst Du dem Füller freien Lauf lassen und gleichzeitig jmd eine Lesefreude machen, eine Nachricht auf einem Bierdeckel oder Taschentuch…es gibt so viele Möglichkeiten.
Kurz vor Weihnachten habe ich beim Aufräumen meine Jugendfüller wieder gefunden – ebenso die Füllfederhalter meines Großvaters. Ich bin gespannt, wie sie in meiner Hand liegen werden. Eine neue Füllfederhalter-Reise beginnt! Ich freu mich drauf!
Was darf dieser Text aussagen?
Ich hatte überlegt, Menschen in meiner Umgebung einen Füllfederhalter und Briefpapier zu Weihnachten zu schenken – und habe mich dann zunächst dagegen entschieden. Warum? Weil der Schreiberling zum einen den Füller auch wirklich vorher ausprobieren sollte, damit er einfach „perfekt“ in der Hand liegt, und zum Anderen: Du schenkst mir ja auch nicht gleich ein Kind. Wenn der Schreiberling bereit ist, mit einem Füller zu schreiben, dann wird er sich entweder bei mir melden oder vielleicht mir selbst irgendwann einen Brief schreiben…und dann weiß ich, dass ich nach neuer Tinte und Briefpapier Ausschau halten darf.
Fragen, die ich schön finde, sich selbst ab und an mal zu stellen:
- Wann hast Du das letzte Mal mit Füllfederhalter geschrieben?
- Welche Bedeutung hat der Füller für Dich im digitalen Zeitalter?
- Welchen Unterschied hat es für Dich, mit Füller zu schreiben und elektronisch zu kommunizieren?
- Was schreibst Du mit Deinem Füller? Bzw. würdest Du schreiben?
- Würdest Du Dir einen Füller schenken? Ggf. einer anderen Person?